Freundschaft

Definitionslücke Freundschaft

Freundschaften, will man der wissenschaftlichen Literatur Glauben schenken, gewinnen seit den 2000ern wieder (überhaupt) an Bedeutung. Immer wieder stellt sich die Frage: Was sind Freunde überhaupt? Nach welchen Kriterien messe ich Freundschaft? Wie groß ist die Bedeutung der Freundschaft heute?

Wir assoziieren mit Freunden Begriffe wie Sympathie, Authentizität oder Vertrauen. Unsere Freunde sind verlässlich, ehrlich und zeigen Verständnis. Doch bei genauerer Betrachtung scheitert eine generelle Definition der Begrifflichkeiten rund um die Freundschaft. Deswegen wollen wir diesen und anderen Fragen in diesem Beitrag nachgehen und eine "Definition" erarbeiten.

Definitionsansätze

Erkundigen wir uns auf Internetseiten, werden wir im Groben folgende Definition finden: Freundschaft ist eine freiwillige soziale Beziehung auf persönlicher Ebene, die auch einschließt, dass wir mit unserem Freund/ unserer Freundin auf gleicher Augenhöhe sind. Wir sind nicht etwa in einer Lehrer/Schüler Abhängigkeit o.Ä..

Wichtig ist bei Freunden auch anzumerken, und das weiß jeder, der gute Freunde hat: Nicht die Anzahl der Freunde ist entscheidend, sondern die Intensität. Haben wir also 1000 Facebook-Freunde, sehen und sprechen aber nie mit diesen, kann uns diese zunächst positiv gedachte Erweiterung unseres Soziallebens in die Einsamkeit stürzen, wenn wir nicht aufpassen.

Die Definition von Freundschaft fällt auch so schwer, da (manchmal) nicht zu jedem Zeitpunkt t bestimmt werden kann "Ist sie meine Freundin, oder nicht?". Wie später erläutert wird, kann (meiner Meinung nach) von Freundschaft gesprochen werden, wenn ein gewisser Zeitpunkt t = g überschritten wurde. Dieser gilt freilich nicht als absolute Wahrheit, soll jediglich einen guten Richtwert geben. Den Prozess bis zur Freundschaft wollen wir uns im Folgenden näher anschauen.

Freundschaft Grad 0

Grad 0 soll zunächst den Ausgangspunkt bezeichnen, den (zeitlichen) Punkt, an dem wir uns überlegen, wie wir neue Freunde finden. Glücklicherweise haben wir (zumindest die meisten von uns) bis zu diesem Zeitpunkt bereits ein bestehendes soziales Netzwerk, welches es aber vielleicht zu überdenken gilt. Entweder weil wir mit ihm (dem Netzwerk) nicht zufrieden sind oder der Überzeugung sind, dass es da draußen auch noch andere Menschen gibt, mit denen eine Freundschaft lohnenswert ist.
Eine nicht zu vernachlässigende Voraussetzung, um neue Freunde zu finden, ist, dass wir uns zumindest teilweise im Klaren darüber sein sollten, wer wir sind. Damit ist gemeint, dass wir wissen, was wir gerne tun, sonst können wir nicht die Leute suchen und finden, die uns ähnlich sind.

Auf dieser Grundlage aufbauend suchen wir uns (zufällig?) eine sog. Gelegenheitsstruktur heraus, also einen Ort, an dem eine gewisse Anzahl an Menschen das tun, was wir auch gerne tun. Dies schafft sowohl räumliche als auch soziale Nähe mit anderen. In diesen nach Scott Feld benannten Foki ist, bei regelmäßiger Ausführung, eine Wiederholung (Kennenlernen) von sozialer Kommunikation und Interaktion überhaupt möglich! Durch die regelmäßige reine Anwesenheit unserer Selbst erfahren wir mit der Zeit, dass manche Menschen, die dort sind, gewisse Ähnlichkeiten bzw. Gemeinsamkeiten mit uns haben (könnten).

An dieser Stelle will gesagt sein, dass es kleineswegs einfach ist oder schnell geht, (neue) Freunde zu finden; ein klassisches 0-to-1-Problem (Das "Problem" wird sich nicht über Nacht lösen. ~ Sozialer Exponent). Die möglicherweise länger andauernde Bemühung lohnt sich aber, wenn wir als Gewinn eine tiefe Freundschaft haben können. Andernfalls droht uns Verbitterung in Einsamkeit.

Freundschaft Grad 1

Nach den Vorüberlegungen aus Freundschaft Grad 0 geht also hervor, dass wir uns mit einer gewissen Regelmäßigkeit einer gewissen Sache widmen müssen. Nun wird uns, wenn wir zum Beispiel einem Verein beitreten, nicht gleich eine Freundschaft angeboten, wir sind zunächst einmal nur Mitglied unter Mitgliedern. Der erste Schritt, um sich in einer neuen, derartigen Umgebung zurechtzufinden, lautet nun einmal soziale Kompetenz. Können wir mit anderen nicht einmal über organisatorische Abläufe sprechen, so mangelt es uns bereits an dieser Stelle an Grundlagen, die wir aufholen müssen. Darüber hinaus müssen wir verstehen, dass wir nicht gleich das Vertrauen der Teilnehmer (schon gar nicht aller) haben und es zu Beginn seine Zeit brauchen wird, bis wir zumindest ein paar Namen drauf haben. Hier hilft uns bei aktivem Zugehen auf andere aber der soziale Exponent.

Gehen wir einen Schritt weiter und bekommen Routine in den Ablauf, können wir uns im zweiten Schritt darum bemühen, die anderen besser kennenzulernen. Dabei geht das Kennenlernen darüber hinaus, wie jemand heißt und wieso er hier dabei ist. Wir können sie (eine Person) jedes Mal, wenn sie kommt, fragen wie es ihr geht, uns über ihre aktuellen Lebensumstände informieren, Geschichten aus dem Alltag erzählen lassen. Dies schließt natürlich das Interessensgebiet, das wir mit der Person teilen, auch mit ein. Aber erst durch Fragen und Zuhören darüber hinaus kommen wir der Person, die wir kennenlernen wollen, näher.

Im dritten Schritt lässt sich bereits erahnen, wie das Verhältnis zwischen uns weiter verläuft. Redet die Person nun die ganze Zeit von sich oder ihren anderen Freunden und zeigt aber sonst kein reziprokes Interesse an uns, wird sie wahrscheinlich eher keine Anstalten machen, sich mit uns zu befreunden. Scheint die Person unsicher darüber, ob Freundschaft eine Option ist, lässt sich mit Offenheit und Vertrauen spielen (keine Manipulation). Freut sich die andere Person darüber, dass wir ihr ein kleines Geheimnis aus unserem Leben erzählt haben und zeigt, dass sie sich in unserer Umgebung wohlfühlt, dann können wir uns sicherer sein, dass die Freundschaft etwas werden könnte. Durch das "Nutzen" von Offenheit entsteht so mit der Zeit (zwischenmenschliches) Vertrauen.

Der eben beschriebene Verlauf ist von Beginn bis Ende von Grad 1 ein Kontinuum und nicht immer zweifelsfrei bestimmbar, auch, weil die Bestimmung von der anderen Person an jeder Stelle abhängig ist. So mag es sich bei einer relativ neuen Bekanntschaft an der Uni noch um eine Zweckfreundschaft handeln, die vielleicht in so etwas wie eine Kommilitonenfreundschaft übergeht. Geht man noch weiter und erhöht die Variable Vertrauen, könnte man von freundschaftlichen Verhältnissen sprechen.

Realitätscheck und Freundschaft Grad 2

Nun ist Freundschaft keine Fähigkeit, die man erlernen kann und somit immer funktioniert. Das bedeutet, ich kann zwar bis zu einem gewissen Grad auf Menschen zugehen und mich ehrlich für sie interessieren, wenn sie aber mit mir in einer Eigenschaft nicht übereinstimmen, nämlich in meinen Werten, ist jegliche Fortsetzung in Richtung einer echten Freundschaft sinnlos. Dieser Punkt, an dem wir erkennen, ob unser Gegenüber die gleichen oder zumindest ähnliche Werte teilt wie wir, ist ein entscheidender. Er markiert die Grenze zwischen der Kontrolle unsererseits (also unseren sozialen Fähigkeiten) und der Realität, in der der andere nun mal so ist, wie er ist. Finden wir keine Übereinstimmung in den Werten untereinander, können wir nicht über den Grad 1 hinausgehen, da die Interessen vielleicht gleich sein mögen, das Weltbild und Menschenbegreifen aber so unterschiedlich sind, dass es mehr Kraft kosten würde, es zu erzwingen, anstatt im Grad 1 zu verbleiben.

Umso mehr können wir uns aber freuen, wenn der andere die gleichen Werte teilt. Dann können wir das "Fragen und Zuhören" auf einer neuen Ebene beginnen. Wir sind nun schon auf gleicher Ebene und verstehen uns gut aufgrund dieser gleichen Voraussetzungen. Nun ist auch Raum für eine ganz neue Dimension von Offenheit, die diese Person und die wir ihr zukommen lassen können. Das Vertrauen ist ja bereits vorhanden.
Vergessen sollten wir jedoch nicht, dass das Ganze weiterhin ein dynamisches Feld bleiben kann. So ist es möglich, falls uns ein Fehler unterläuft, dass das Vertrauen bricht und wir uns nicht mehr in einer Freundschaft befinden.

Sind wir also am Ende von Freundschaft Grad 2 angekommen, so fällt uns auf, was eine Freundschaft ausmacht: Das Teilen eines (positiven oder negativen) Geheimnisses. Wir sind an der Stelle angekommen, uns selbst verletzlich zu zeigen und wissen (hoffentlich), dass das Vertrauen in die andere Person so hoch ist, dass sie uns (zwischenmenschlich) beisteht. Das kann in Form materieller, kognitiver oder emotionaler Unterstützung passieren. Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat sich der Fokus aber eher auf psychische (emotional und kognitive) und weniger auf physische (materielle) Unterstützung verschoben.

Unterscheidung zu Cross-Sex-Freundschaften

Abschließend die Frage: Was unterscheidet dann aber eine klassische (platonische) Mann-Frau-Freundschaft, die sog. Cross-Sex-Freundschaft von einer (Liebes-)Beziehung? Dazu folgende Auflistung, die freilich nur eine geringe Auswahl von Kriterien sein kann.

Es wäre also falsch zu behaupten, dass Freundschaft eine Funktion von Liebe ist. Liebe passt nicht in eine Freundschaft. Vielmehr ist der Umkehrfall richtig. Eine Beziehung ist dann am besten, wenn ich in meinem Partner sowohl den besten Freund als auch den liebsten Partner sehe.


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